Mit dem Jahressteuergesetz 2022 wurde die Einkommen- und Umsatzbesteuerung kleinerer Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) neu geregelt, um stärkere Anreize zum Ausbau erneuerbarer Energien zu geben. Weil in der Praxis zahlreiche Anwendungsfragen offen sind, hat die Bundessteuerberaterkammer das Bundesfinanzministerium (BMF) dringend um Klärung gebeten. Eine Verlautbarung des BMF liegt noch nicht vor, eine rechtssichere Beratung ist daher in vielen Einzelfällen leider noch nicht möglich.
Steuerbefreiung in der Einkommensteuer
Steuerbefreit sind Einnahmen und Entnahmen aus dem Betrieb von PV-Anlagen auf oder an
- Einfamilienhäusern einschließlich Nebengebäuden und nicht Wohnzwecken dienenden Gebäuden, wie zum Beispiel landwirtschaftliche Maschinenhallen, Stallgebäude, Gewerbehallen und dergleichen, mit einer installierten Bruttoleistung laut Marktstammdatenregister bis 30 kW peak (im Folgenden abgekürzt kWp) sowie
- sonstigen Gebäuden, zum Beispiel Mehrfamilienhäuser, mit einer installierten Bruttoleistung
laut Marktstammdatenregister bis 15 kWp je Wohn- oder Gewerbeeinheit.
Es besteht kein Wahlrecht auf Steuerbefreiung. Diese umfasst nicht nur neu errichtete Anlagen, sondern gilt rückwirkend auch für alle Einnahmen und Entnahmen nach dem 31. Dezember 2021 aus Bestandsanlagen, die die genannten Kriterien erfüllen. Die Steuerbefreiung gilt nur bis zu einer Maximalleistung von 100 kWp pro Steuerpflichtigem oder Mitunternehmerschaft.
100 kWp – Freibetrag oder Freigrenze?
Viele der offenen Fragen betreffen die Interpretation der 100 kWp-Grenze. In der Einkommensteuer wird generell zwischen Freibeträgen und Freigrenzen unterschieden. Bei einem Freibetrag wird nur das darüberhinausgehende Einkommen versteuert. Eine Freigrenze hingegen führt bei deren Überschreitung zu einer kompletten Besteuerung der gesamten Einnahmen. Die Bundesregierung antwortete Mitte Februar 2023 auf eine parlamentarische Anfrage, dass es sich bei der 100 kWp-Grenze ihrer Ansicht nach um eine Freigrenze handele – und verwies gleichzeitig darauf, dass Fragen im Zusammenhang mit der Steuerbefreiung kurzfristig mit den Vertretern der obersten Finanzbehörden der Länder erörtert würden.
Berechnung des 100 kWp-Höchstwertes unklar
Die Bundessteuerberaterkammer bittet das BMF auch um dringende Klärung, wie die 100 kWp-Grenze zu berechnen ist. Laut Gesetz erfolgt die Deckelung bei 100 kWp „pro Steuerpflichtigem oder Mitunternehmerschaft“. Es ist allerdings unklar, ob eine Mitunternehmerschaft als gesondertes Steuersubjekt mit eigener 100 kWp-Obergrenze gilt oder ob die installierte Leistung der Gesellschaft anteilig den einzelnen Gesellschaftern zuzurechnen ist.
Beispiel: A betreibt auf seinem privaten Einfamilienhaus eine PV-Anlage mit 12 kWp Leistung. Außerdem gehört ihm gemeinsam mit seinen beiden Geschwistern je zu einem Drittel ein vermietetes Mehrfamilienhaus. Auf dem Dach dieses Hauses ist eine PV-Anlage mit einer Leistung von 90 kWp installiert. Schließlich besitzt A allein auch noch ein vermietetes Mehrfamilienhaus, das ebenfalls mit einer
PV-Anlage mit einer Leistung von 60 kWp ausgestattet ist. Jede PV-Anlage für sich erfüllt die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung. Rechnet man A seinen Anteil an der Vermietungs-GbR zu, entfallen auf ihn insgesamt 102 kWp (12 kWp vom eigenen Wohnhaus + 60 kWp vom Mietshaus im Alleinbesitz + anteilig 30 kWp aus der Vermietungs-GbR). Damit wären bei ihm die Einkünfte aus allen PV-Anlagen steuerpflichtig. Für seine Geschwister bliebe es bei dieser Berechnung bei der Steuerfreiheit, sofern sie nicht ebenfalls weitere PV-Anlagen betreiben. Wird aber die GbR bei der Berechnung der 100 kWp-Grenze gesondert betrachtet, blieben in diesem Bespiel die Einkünfte aus den PV-Anlagen insgesamt steuerfrei.
Steuerlichen Folgen des Übergangs zur Steuerfreiheit
Unklar ist bisher auch die steuerliche Behandlung von Investitionsabzugsbeträgen. Bisher konnten unter bestimmten Umständen bis zu 50 % der Investitionskosten bereits in den Jahren vor der Anschaffung einer PV-Anlage steuerlich als Investitionsabzugsbetrag geltend gemacht werden. Sollte diese Möglichkeit für PV-Anlagen, die jetzt steuerfrei gestellt wurden, nicht mehr gelten, stellt sich die Frage, wie mit Investitionsabzugsbeträgen umzugehen ist, die in den Jahren 2020 und 2021 gebildet wurden, ohne dass die Anschaffung bereits erfolgte.
Bei den von der Neuregelung betroffenen PV-Anlagen lag bis 2021 ein steuerpflichtiger Gewerbebetrieb vor. Ungeklärt ist, ob die Steuerbefreiung ab 2022 eventuell zu einer steuerpflichtigen Entnahme der PV-Anlage ins Privatvermögen führt.
Betriebsausgabenabzug entfällt
Gesetzlich klar geregelt ist, dass kein Verzicht auf die Steuerbefreiung zulässig ist, etwa um die Gesamtsteuerbelastung über einen längeren Zeitraum zu optimieren. Der bisher mögliche Betriebsausgabenabzug geht mit der Neuregelung grundsätzlich verloren, es sei denn, der erzeugte Strom wird eigenbetrieblich genutzt.
Nullsteuersatz in der Umsatzsteuer
In der Umsatzsteuer hat der Gesetzgeber im Zusammenhang mit kleinen PV-Anlagen einen neuen Steuersatz von Null eingeführt. Der Nullsteuersatz wirkt quasi wie eine Steuerbefreiung. Dieser ist auf die Lieferung, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb sowie auf die Installation von Solarmodulen einschließlich aller wesentlichen Komponenten für den Betrieb von PV-Anlagen und Stromspeichern anzuwenden. Voraussetzung ist, dass die PV-Anlage an einen Betreiber geliefert wird, der diese Anlage an einem Privatwohnhaus, einer Privatwohnung oder einem Gebäude, das für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt wird oder in unmittelbarer Nähe zu einem der zuvor genannten Objekte nutzt. Diese Voraussetzungen gelten fiktiv als erfüllt, wenn die installierte Bruttoleistung der PV-Anlage laut Marktstammdatenregister nicht mehr als 30 kWp beträgt. Somit muss auch die Installation einer PV-Anlage auf betrieblichen Gebäuden bis zu dieser Leistung zum Nullsteuersatz abgerechnet werden. Auch hinsichtlich der umsatzsteuerlichen Behandlung hat das BMF ein Schreiben angekündigt.
Verzicht auf Anwendung der Kleinunternehmerregelung entfällt
Der Vorsteuerabzug als wirtschaftlicher Grund für einen Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung entfällt, wenn beim Bezug von PV-Anlagen oder Stromspeichern zukünftig ohnehin keine Vorsteuer mehr anfällt. Dies soll dem Bürokratieabbau dienen.
Umsatzbesteuerung der Strom-Entnahme
Durch die Neuregelung ändert sich die umsatzsteuerliche Behandlung der Entnahme von Strom als unentgeltliche Wertabgabe bei einer zum Nullsteuersatz erworbenen PV-Anlage. Das Finanzministerium Schleswig-Holstein hat die Rechtsauffassung des LBV Unternehmensverbundes bestätigt, dass bei den betroffenen Anlagen zukünftig keine unentgeltlichen Wertabgaben zu besteuern sind. Für Altanlagen bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung Möglichkeiten eröffnen wird, die Anlagenbetreiber ebenfalls von der Besteuerung unentgeltlicher Wertabgaben zu befreien.