Ein Zahnarzt, der als sogenannter Pool-Arzt im Notdienst tätig ist, geht nicht deshalb automatisch einer selbstständigen Tätigkeit nach, weil er mit dieser Tätigkeit an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilnimmt. Dies geht aus einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) aus Oktober 2023 hervor. Maßgebend seien nach Gerichtsmeinung vielmehr die konkreten Umstände des Einzelfalls. Das Urteil führte zu einem Prozesserfolg für den klagenden Zahnarzt, der seine Tätigkeit als versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis eingestuft wissen wollte, damit die Kassenzahnärztliche Vereinigung für ihn Sozialversicherungsbeiträge zahlt. Das Urteil hat Auswirkung auf alle medizinischen Bereitschaftsdienste. Nach Berichten des NDR hat als Reaktion auf das Urteil allein die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein zum Jahreswechsel 2023/24 insgesamt 400 Pool-Ärzten gekündigt, da Sozialabgaben im zweistelligen Millionenbereich nicht finanzierbar seien.
Der Zahnarzt hatte seine Praxis im Jahr 2017 verkauft und war nicht mehr zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. In den Folgejahren übernahm er aber immer wieder Notdienste, die von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung organisiert worden waren. Die Vereinigung betrieb ein Notdienstzentrum, in dem sie personelle und sächliche Mittel zur Verfügung stellte. Der Zahnarzt rechnete seine Leistungen nicht individuell je Patient ab, sondern erhielt ein festes Stundenhonorar.
Die Deutsche Rentenversicherung Bund sah den Kläger wegen seiner Teilnahme am vertragszahnärztlichen Notdienst als selbstständig tätig an, so dass sie keine Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung annahm. Das BSG ging jedoch von einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis aus und verwies auf die Eingliederung des Zahnarztes in die von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung organisierten Abläufe. Der Arzt hatte auf diese Abläufe keinen entscheidenden, erst recht keinen unternehmerischen Einfluss. Vielmehr hatte er eine von dritter Seite organisierte Struktur vorgefunden, in die er sich fremdbestimmt einfügte. Auch war er unabhängig von konkreten Behandlungen stundenweise bezahlt worden und verfügte nicht über eine Abrechnungsbefugnis, die für das Vertragszahnarztrecht eigentlich typisch ist. Dass der Arzt bei der konkreten medizinischen Behandlung frei und eigenverantwortlich handeln konnte, fiel für das BSG nicht entscheidend ins Gewicht. Im Ergebnis unterlag der Zahnarzt mit seiner Notdiensttätigkeit daher der Versicherungspflicht.