Vorsteuerabzug nicht gefährden!

Vorsteuerabzug nicht gefährden! Gemischt unternehmerisch und privat genutzte Wirtschaftsgüter und Dienstleistungen SHBB Bad Oldesloe

Unternehmer, die umsatzsteuerpflichtige Leistungen ausführen, können sich in aller Regel die Vorsteuer auf die Anschaffung und den Bezug unternehmerisch genutzter Gegenstände und Dienstleistungen vom Finanzamt erstatten lassen. Das Umsatzsteuerrecht gewährt auch für den Bezug von sowohl unternehmerisch als auch privat genutzten Gegenständen und Dienstleistungen einen vollen Vorsteuerabzug.

Was gilt bei beweglichen Wirtschaftsgütern und Dienstleistungen?

Voraussetzung für einen vollen Vorsteuerabzug ist, dass die unternehmerische Nutzung mindestens 10 % beträgt, eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt und dem Finanzamt die Zuordnung eines gemischt genutzten Gegenstandes oder einer gemischt genutzten Dienstleistung zum Unternehmensvermögen rechtzeitig bekanntgegeben wird.

Achtung: Mitteilungsfrist 31. Juli beachten!
Grundsätzlich ist die Zuordnungsentscheidung unmittelbar bei Anschaffung eines Gegenstandes oder Bezug einer Dienstleistung zu treffen. Die Finanzverwaltung lässt allerdings zu, dass die Zuordnung auch noch später mitgeteilt wird, allerdings spätestens mit der fristgerecht eingereichten Umsatzsteuererklärung für das Jahr des Leistungsbezugs. Maßgebend hierfür ist die gesetzliche
Abgabefrist für Umsatzsteuererklärungen, die grundsätzlich am 31. Juli des Folgejahres endet, für das Jahr 2022 also am 31. Juli 2023. Eine Fristverlängerung für die Abgabe der Steuererklärung hat auf die Frist für die Dokumentation der Zuordnungsentscheidung keinen Einfluss.

Die Dokumentation der Zuordnung zum Unternehmensvermögen erfolgt in der Praxis üblicherweise durch den tatsächlich geltend gemachten Vorsteuerabzug. Für Unternehmer mit ausschließlich umsatzsteuerfreien Tätigkeiten, Kleinunternehmer oder pauschalierende Land- und Forstwirte, die überhaupt keine Umsatzsteuererklärung abgeben, gilt: Sie sollten bei gemischt genutzten Gegenständen und Dienstleistungen aus Nachweisgründen die Unternehmenszuordnung bis zum 31. Juli des Folgejahres nach dem Leistungsbezug schriftlich gegenüber dem Finanzamt erklären, um eine eventuell spätere positive Vorsteuerberichtigung nicht zu gefährden.

Was gilt bei Gebäuden und Grundstücken?

Nutzt ein Unternehmer ein Grundstück, ein Gebäude oder eine Wohnung sowohl für Zwecke, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, als auch für solche, bei denen ein Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist, ist die Vorsteuer auf die Eingangsleistungen in einen abziehbaren und einen nicht abziehbaren Teil aufzuteilen. Wie diese Aufteilung zu erfolgen hat, war aufgrund unterschiedlicher Rechtsauffassungen in der Vergangenheit wiederholt Gegenstand finanzgerichtlicher Auseinandersetzungen. Nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) und der Bundesfinanzhof (BFH) sich in den vergangenen Jahren in mehreren Fällen mit dem Thema auseinandersetzen mussten, hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) im Oktober und November 2022 die aktuelle Rechtsprechung umgesetzt und festgelegt, wie in der Praxis hinsichtlich der Vorsteueraufteilung zu verfahren ist.

Nach Unionsrecht sind die Vorsteuerbeträge grundsätzlich nach einem Umsatzschlüssel aufzuteilen, der sich auf die Gesamtheit der vom Unternehmer bewirkten Umsätze bezieht. Die einzelnen Mitgliedstaaten dürfen davon jedoch ausdrücklich abweichen, sofern die von ihnen vorgeschriebene Methode eine präzisere Bestimmung gewährleistet. Von dieser Ausnahmeregelung hat der deutsche Gesetzgeber Gebrauch gemacht. Laut deutschem Umsatzsteuergesetz sind „andere wirtschaftliche Zuordnungen“ vorrangig vor der Aufteilung nach Umsätzen anzuwenden. In der Praxis teilte die Finanzverwaltung bislang die Vorsteuer im Verhältnis der Nutzflächen auf und lehnte andere Verteilungsmethoden regelmäßig ab, was zu vielen Rechtsstreitigkeiten geführt hat.

Das BMF erläutert in den beiden Schreiben ausführlich den aktuellen Stand der Rechtsprechung und leitet daraus die möglichen Aufteilungsschlüssel für die Vorsteuer bei gemischt genutzten Grundstücken ab. Kernaussage ist, dass die Vorsteueraufteilung nach einem sachgerechten Aufteilungsschlüssel erfolgen muss. Kommen neben dem Gesamtumsatzschlüssel andere Aufteilungsverfahren in Betracht, ist ein anderer Aufteilungsschlüssel anzuwenden, wenn er ein präziseres Ergebnis liefert. Sind mehrere andere Aufteilungsschlüssel präziser als der Gesamtumsatzschlüssel, muss nicht zwingend auf die präziseste Methode zurückgegriffen werden. Die Auswahl obliegt in diesen Fällen laut BMF dem Unternehmer. Das Finanzamt kann die Auswahl jedoch daraufhin überprüfen, ob sie sachgerecht ist.

Konkret legt das BMF Folgendes fest:
Bei Eingangsleistungen, die der Nutzung, Erhaltung und Unterhaltung des Gebäudes dienen, sind die jeweiligen Vorsteuerbeträge zunächst so weit wie möglich direkt zuzuordnen. Die verbleibenden Vorsteuerbeträge sind sachgerecht aufzuteilen. Bei der Anschaffung oder Herstellung eines Gebäudes sind die gesamten in den Anschaffungs- oder Herstellungskosten enthaltenen Vorsteuerbeträge hingegen einheitlich in einen abziehbaren und einen nicht abziehbaren Teil aufzuteilen.

Die Aufteilung hat anhand eines sachgerechten Aufteilungsschlüssels zu erfolgen. Folgende Aufteilungsschlüssel kommen in Betracht:

Flächenschlüssel: Aufteilung der Nutzfläche des jeweiligen Gebäudeteils im Verhältnis zur gesamten Nutzfläche des Gebäudes. Dieses Verfahren soll standardmäßig angewandt werden, da davon ausgegangen werden kann, dass der Flächenschlüssel regelmäßig das präziseste Ergebnis liefert. Maßgebend sind die Gebäudeinnenflächen. Flächen wie Außenstellplätze sind nicht einzubeziehen.
Flächen, die der Gebäudeversorgung dienen oder gemeinsam genutzt werden, wie etwa Technikräume oder Treppenhäuser, sind ebenfalls zu vernachlässigen. Terrassen und Balkone sind zur Hälfte zu berücksichtigen.

Gesamtumsatzschlüssel: Aufteilungsmaßstab ist das Verhältnis des Umsatzes des jeweiligen Gebäudeteils zum Gesamtumsatz.

Objektbezogener Umsatzschlüssel: Dieser Schlüssel findet nur dann Anwendung, wenn die Ausstattung der unterschiedlich genutzten Räume erheblich voneinander abweicht. Dies ist bei Unterschieden in der Dicke der Wände oder der Innenausstattung anzunehmen. Ausstattungsunterschiede, die allein aufgrund der unterschiedlichen Nutzung der Räume bestehen, wie etwa eine unterschiedliche Anzahl von Stromanschlüssen bei gewerblichen und privaten Mietern, begründen noch keine erhebliche Abweichung.

Schlüssel nach umbautem Raum: Dieser Schlüssel findet Anwendung, wenn die unterschiedlich genutzten Gebäudeteile bei ansonsten ähnlicher Ausstattung voneinander abweichende Geschosshöhen aufweisen und hier der Gesamtumsatzschlüssel zu unpräziseren Ergebnissen führen würde.

Zudem weist das BMF bezüglich der Aufteilung von Vorsteuerbeträgen im Allgemeinen darauf hin, dass Aufteilungen nach der Menge nicht miteinander vergleichbarer Produkte sowie nach einem selektiven Personalschlüssel nicht sachgerecht sind.

Die neuen Grundsätze sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Es wird allerdings nicht beanstandet, wenn sich ein Unternehmer für bis zum 31. Dezember 2022 bezogene Leistungen auf die bisherigen Regelungen beruft.