Dürfen Anleger Verluste, die sie aus Aktiengeschäften erleiden, bald nicht nur mit Aktiengewinnen, sondern auch anderen Einkünften aus Kapitalanlagen wie Dividendenzahlungen oder Zinsen steuerlich verrechnen? Diese Frage hat das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden, nachdem der Bundesfinanzhof (BFH) im November 2020 eine entsprechende Beschlussvorlage in Karlsruhe eingereicht hat.
Seit 2009 unterliegen Gewinne und Verluste aus Aktienverkäufen unabhängig von einer Haltefrist in vollem Umfang der Besteuerung, sofern die betreffenden Aktien ab dem Jahr 2009 erworben wurden. Da Einkünfte aus Kapitalvermögen grundsätzlich der Abgeltungssteuer von 25 Prozent unterliegen, sieht das Einkommensteuergesetz vor, dass Verluste aus Kapitalvermögen nur mit sonstigen positiven Einkünften aus Kapitalvermögen ausgeglichen werden dürfen. Für Aktienverluste gilt darüber hinaus eine zusätzliche Verrechnungsbeschränkung: Sie dürfen nur mit Gewinnen, die aus Aktienverkäufen entstehen, ausgeglichen werden, nicht aber mit anderen positiven Einkünften aus Kapitalvermögen.
Der BFH sieht in diesem Punkt eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung. Steuerpflichtige würden unterschiedlich behandelt, je nachdem, ob sie Verluste aus der Veräußerung von Aktien oder aus der Veräußerung anderer Kapitalanlagen erzielt haben. So greife unter anderem für Verluste beim Verkauf von Investmentfondsanteilen, Optionsscheinen, Zertifikaten oder Termingeschäften keine entsprechende Verrechnungsbeschränkung. Die gesetzliche Unterscheidung sei weder mit der Gefahr erheblicher Steuermindereinnahmen noch mit der Verhinderung von missbräuchlichen Gestaltungen oder mit außerfiskalischen Lenkungszielen zu rechtfertigen.